Rügener Soroptimistinnen frischen ihre 1. Hilfe-Kenntnisse auf
Mit heldenhafter Gelassenheit erträgt „Anne“ ihr Schicksal: Während die Frauen vom Rügener Club Soroptimist eine nach der anderen auf ihrem Brustkorb herum trommeln, kommt kein Klagelaut über ihre Lippen. Anne ist das „Opfer“, an dem die Clubfrauen Herzdruckmassage und Beatmung üben. Zum Glück ist sie nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Plastik. Der 1. Hilfe-Ausbilder Felix Bäsell vom DRK hat die Übungspuppe mitgebracht. An ihr zeigt er, was zu tun ist, um Leben zu retten. „Es ist wichtig, die eigenen Kenntnisse in 1. Hilfe noch einmal aufzufrischen“, meinen die Rügener Soroptimistinnen. Zumal dann, wenn der letzte Kurs Jahre oder gar Jahrzehnte zurück liegt. Und nur deswegen absolviert worden ist, weil man das für den Führerschein oder als Ersthelfer im Betrieb brauchte. Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, haben sich die Clubfrauen deshalb zu einem erneuten 1. Hilfe-Kurs gemeldet.
„Leider kommen nur wenige Menschen auf die Idee, ihr Ersthelferwissen in einem Kurs auf den neuesten Stand zu bringen“, bedauert auch Bäsell. Dabei entscheide das beherzte Eingreifen von Ersthelfern am Unfallort nicht selten über Leben und Tod oder Invalidität. In Deutschland ist jeder verpflichtet, in Not geratenen oder hilflosen Personen Hilfe zu leisten, wenn es ihm den Umständen nach zuzumuten ist. All jene, die sich selbst nicht zutrauen, Hand anzulegen, müssen zumindest über den Notruf 112 die Rettungskräfte benachrichtigen oder sonst wo Hilfe holen. „Man soll das machen, was man kann“, betont Bäsell. Wer von sich glaubt, selbst praktische Hilfe leisten zu können, der ist gut beraten, andere Helfer einzubinden, falls noch weitere Menschen vor Ort sind. „Schließlich arbeiten auch die Rettungskräfte immer zu zweit.“
Wer mit verletzten oder schwer erkrankten Menschen konfrontiert wird, sollte sich von den „drei A“ leiten lassen: angucken, ansprechen und anfassen, lernen die Soroptimistinnen vom DRK-Mann. Allein die Tatsache, dass jemand bei dem Verletzten bleibt und mit ihm redet, ist schon eine große Hilfe, erläutert Bäsell den Clubfrauen. Wichtig ist es oft, den Hilfebedürftigen richtig zu lagern und im telefonischen Kontakt mit der Rettung den Standort möglichst genau zu benennen. Bei Bewusstlosen sollte die Atmung kontrolliert und der Kopf nach hinten gestreckt werden, um eine Erstickung zu verhindern. Wenn die Atmung ausgesetzt hat, geht es um Sekunden. Dann kann der Sterbende nur noch mit einer Herzdruckmassage und, wenn möglich, auch mit Beatmung so lange stabilisiert werden, bis Notarzt und Rettung eingetroffen sind.
Auf Rügen sind sieben Rettungsstationen permanent besetzt: in Altenkirchen, Sassnitz, Binz, Baabe, Bergen, Kluis und Garz. Die Einsätze werden von der Rettungsleitstelle in Stralsund koordiniert. Die gesetzliche Vorgabe, in etwa zehn Minuten nach Alarmierung vor Ort zu sein, können wir in der Regel einhalten, versichert Bäsell. Vielleicht auch dank der vielen Medienberichte bilden die Autofahrer immer häufiger Rettungsgassen, konstatiert er. Leider komme es aber immer wieder vor, dass die Rettungskräfte wegen Lappalien gerufen würden. Sie seien dann umsonst im Einsatz, während sie woanders unter Umständen dringend gebraucht würden. Offenbar wüssten viele nicht, dass sie unter der Telefonnummer 116117 den ärztlichen Bereitschaftsdienst erreichen könnten.
Die Erstversorgung durch Laien ist keine Erfindung der Gegenwart: Bereits im 14. Jahrhundert hatte der ägyptische Arzt Šams ad-Dīn Moḥammad al-Akfānī den Leitfaden „Zuflucht des Klugen bei Abwesenheit des Arztes“ heraus gegeben. Der britische Mediziner William Hawes veröffentlichte im Jahr 1773 Traktate über die künstliche Beatmung bei scheinbar ertrunkenen Menschen. Auf den Arzt Napoleons, Baron Dominique Jean Larrey, geht die Gründung eines Sanitätskorps zurück, das auf dem Schlachtfeld medizinische Hilfe leistete. Schon unter den römischen Legionären gab es „Capsarii“, die Verwundete versorgten und zum Lazarett brachten. Die ersten formellen Ausbildungen in Erster Hilfe gehen auf den preußischen Militärarzt Friedrich von Esmarch zurück, der nach 1870 in Vorlesungen und Schriften verschiedene Techniken lehrte. Zum ersten Mal wurde Soldaten beigebracht, wie mit dem vielseitig verwendbaren Dreiecktuch Wunden zu verbinden und Glieder zu schienen sind. Das Rote Kreuz schließlich wurde 1876 gegründet, nachdem der Schweizer Henry Dunant Zeuge einer Schlacht bei Solferino geworden war. Heute sind die verschiedenen Rotkreuz- und Rothalbmond-Organisationen die wichtigsten Anbieter von Erster Hilfe und entsprechenden Ausbildungen.
Die Teilnahme der Rügener Soroptimistinnen an dem 1. Hilfe-Kurs steht in Zusammenhang mit dem Schwerpunktthema Gesundheit, dem sich der Club in diesem Jahr besonders widmen will. Mit seinem alljährlichen Weißen Dinner, dem Kluptower Flohmarkt am ersten Sonntag im August sowie mit seinem Adventskalender sammeln die Clubfrauen Jahr für Jahr Geld für soziale Projekte. Allein der Verkauf des Adventskalenders erbrachte 2018 rund 14.000,- Euro für den guten Zweck. Die Rügener Soroptimistinnen sind Teil eines weltweit gespannten Netzwerks mit über 3.000 Clubs in 132 Ländern. Soroptimist International (SI) ist die weltweit größte Serviceorganisation berufstätiger Frauen. Rund 80.000 Soroptimistinnen rund um den Globus setzen sich ehrenamtlich vor allem für die Belange von Frauen und Kindern ein.
Susanna Gilbert, Soroptimist Club Insel Rügen